Perfektionismus als Herausforderung – der nervige Kampf mit dem inneren Erbsenzähler
Haben Sie sehr hohe Erwartungen an sich? Tolerieren Sie keine Fehler und ärgern sich maßlos, wenn Ihnen doch einer unterläuft? Können Sie schlecht mit Kritik umgehen?
Vielleicht gehören Sie dann zu den Menschen, die einen Hang zum Perfektionismus haben.
Perfektionismus besteht zum einen im Streben nach Vollkommenheit und zum anderen in einer übertriebenen Fehlervermeidung; hierzu gehört auch die Angst vor der Bewertung durch andere Menschen. Häufig finden sich in der Lebensgeschichte von perfektionistischen Personen abwertende oder beschämende Erfahrungen im Zusammenhang mit Leistung – etwa Lob nur bei Erfolg bzw. Tadel bei Nichterreichen. Hierdurch entsteht der Druck, immer bessere Leistungen zu erbringen und möglichst keine Fehler zu machen. Um das zu erreichen, werden immer mehr Zeit und immer größere Anstrengungen aufgewendet. Auf Dauer kann dieses Verhalten zu Stressreaktionen, Burnout und psychischen Erkrankungen führen.
Wobei es doch zunächst harmlos klingt: Perfektionismus – wer möchte nicht alles richtig machen, fehlerfrei abliefern und dabei aussehen wie frisch aus dem Ei gepellt? Klingt gut, ist aber in der Realität oft kräftezehrend und nicht notwendig – weder für einen selbst noch für andere.
Im Beruf zeigt sich Perfektionismus häufig in Form von überarbeiteten PowerPoint-Präsentationen, die niemand sehen will, oder in E-Mails, die zehnmal gelesen werden, bevor sie dann mit der Betreffzeile „Noch ein kleiner Nachtrag …“ verschickt werden. Statt den Job effizient zu erledigen, wird Zeit damit verbracht, an der Formatierung von Fußnoten zu feilen. Im Alltag sieht das ähnlich aus: Die Wohnung wird nicht „mal eben“ geputzt, sondern mit der Zahnbürste – inklusive Google-Tutorial „Wie reinige ich den Heizkörper von innen?“. Der Wocheneinkauf wird geplant wie eine Militäroperation. Spontanität? Ein unkalkulierbares Risiko!
Dabei kann Perfektionismus auch nützlich sein – in Maßen. Wer gewissenhaft arbeitet, liefert oft verlässlich gute Ergebnisse ab. Fehler sind selten, und Kolleginnen und Kollegen schätzen das. Die Kunst liegt im „gesunden Perfektionismus“.
Was hilft im Umgang mit Perfektionismus?
- Realistische Zielsetzung: Formulieren Sie Ziele, die erreichbar und messbar sind, und vermeiden Sie überzogene Erwartungen.
- Deadlines setzen – echte! Wer unendlich Zeit hat, bastelt ewig.
- Schluss mit den inneren Kritikern, die ständig „Nicht gut genug!“ brüllen.
Fazit: Perfektionismus kann ein Verbündeter sein – wenn Sie ihn im Zaum halten. Sonst wird er schnell zum nervigen Kollegen, der alles besser weiß, aber nie Feierabend macht. Und wer will schon mit dem zusammenarbeiten?
Autorin: Julia Leinauer, Diplom-Psychologin